Region Aachen

Die Stroke Unit in Würselen und die Klinik für Innere Medizin in Stolberg intensivieren ihre Zusammenarbeit in der Neurologie.

Würselen/ Stolberg. Das Leben hängt davon ab, bei einem Schlaganfall schnellstmöglich optimal versorgt zu werden. Mit jeder Minute, die ungenutzt verstreicht, steigt das Risiko, schwere Schäden zurückzubehalten oder gar zu sterben. Nicht ohne Grund heißt es „Zeit ist Hirn“ – und genau darauf basiert die Zusammenarbeit des Medizinischen Zentrums (MZ) StädteRegion Aachen mit dem Bethlehem Gesundheitszentrum in Stolberg. Diese Kooperation wird deutlich intensiviert. Welche Vorteile dies hat, erklären Professor Dr. Christoph Kosinski, Chefarzt der Neurologie und Ärztlicher Direktor am MZ in Würselen, sowie PD Dr. Dr. Christoph Dietrich, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin im Bethlehem-Krankenhaus.
 
Die Kooperation zwischen der Neurologie des Medizinischen Zentrums und des Bethlehem-Krankenhauses existiert bereits seit einigen Jahren. Warum wird die Kooperation intensiviert?

PD Dr. Dr. Christoph Dietrich: Die noch engere Zusammenarbeit beinhaltet gleich mehrere Vorteile. Auf einen Nenner gebracht: Wir können jetzt noch schneller Patienten mit Schlaganfall helfen, weil wir in Stolberg rund um die Uhr auf hoch spezialisierten neurologischen Sachverstand vom MZ zugreifen können. Ein weiterer Benefit der verstärkten Zusammenarbeit ist, dass wir weiterhin Patienten mit anderen neurologischen Erkrankungen im „Bethlehem“ optimal versorgen können.
PD Dr. Dr. Christoph Dietrich, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin im Bethlehem- Krankenhaus.
Was bedeutet „schneller helfen“ genau?

Professor Dr. Christoph Kosinski: Der Faktor Zeit ist insbesondere bei einem Schlaganfall entscheidend; daher auch der Ausspruch „Zeit ist Hirn“. Je früher die Behandlung beginnt, desto größer ist die Chance, dass keine Schädigungen zurückbleiben. Wird der Notarzt zu einem Schlaganfall-Patienten gerufen, tickt die Uhr, denn schon nach 4,5 Stunden sind viele Folgen eines Schlaganfalls nicht mehr aufzufangen.

Sollte bei einem Verdacht auf Gehirnschlag der Krankenwagen nicht die nächste Stroke Unit, sprich Ihre Schlaganfall-Fachklinik in Würselen, ansteuern?

Dietrich: Das ist richtig. Wenn der Notarzt den konkreten Verdacht hegt, soll der Patient auf schnellstem Wege zur nächst gelegenen Stroke Unit gebracht werden. Oft aber sind die Symptome nicht eindeutig. Je nachdem, welches Hirnareal betroffen ist, fehlen für die Schlaganfall typischen Anzeichen. Somit ist es für den Notarzt nicht immer möglich, mit seinen Möglichkeiten einen Schlaganfall zu diagnostizieren. Wichtig ist in einer solchen Situation, dass der Patient schnellstmöglich dorthin gebracht wird, wo zusätzliche Untersuchungsverfahren wie ein CT vorhanden sind. Dank der verstärkten Kooperation mit der Stroke Unit  des MZ einschließlich der elektronischen Übermittlung von CT-Bildern verfügen wir jetzt über die Strukturen, um die Diagnose „Schlaganfall“  innerhalb eines sehr kurzen Zeitfensters zu stellen und dann sofort die dafür geeignete Therapie einzuleiten.

Wie sind die Abläufe, wenn im Stolberger Krankenhaus ein Schlaganfall diagnostiziert wird?
Professor Dr. Christoph Kosinski, Chefarzt der Neurologie und Ärztlicher Direktor am MZ in Würselen. Foto Conny Stenzel-Zenner

Kosinski: Wenn unsere Neurologen gemeinsam mit den Stolberger Kollegen die Diagnose gestellt haben, erhält der Patient intravenös ein Medikament zur Auflösung des Blutgerinnsels. Wir sprechen dabei von der Lyse-Therapie. Wird diese Therapie bereits in der ersten Stunde nach dem Schlaganfall eingeleitet, können Folgeschäden häufiger verhindert oder zumindest stark reduziert werden. Die Lyse-Therapie muss auf jeden Fall verabreicht werden, unabhängig davon, für welche Behandlung wir uns anschließend  in der Stroke Unit entscheiden. Nachdem die unbedingt notwendige Therapie begonnen hat, wird der Schlaganfall-Patient zu uns nach Würselen, also in die Spezialklinik, gebracht.

Welche Maßnahmen stehen Ihnen in der Stroke Unit außerdem zur Verfügung?

Kosinski: Ist der Thrombus zu groß, um ihn medikamentös aufzulösen, können wir ihn im Medizinischen Zentrum mithilfe eines ausgeklügelten mechanischen Verfahrens in Gänze ansaugen und entfernen. Das dauert nur wenige Minuten. Diese Methode ist ein Beispiel für die beeindruckenden Methoden, über die wir verfügen und die uns in der Behandlung von Schlaganfällen völlig neue Möglichkeiten eröffnen.  Welche Therapie wir letztlich anwenden, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Doch für welches Verfahren wir uns auch entscheiden – die Lyse-Therapie muss zuvor verabreicht worden sein! Und zwar so früh wie nur möglich! Dank der neuen Abläufe sparen wir weitere 30 Minuten, denn während der Schlaganfall-Patient von Stolberg zu uns gebracht wird, wirkt ja bereits die Lyse-Therapie in seinem Körper. Von Vorteil ist auch die verkehrstechnisch günstige Lage des MZ am Aachener Kreuz: Der Krankenwagen aus Stolberg ist schnell bei uns.

Bei welchen Erkrankungen ist die Unterstützung der Experten der Neurologie außerdem erforderlich?

Kosinski: Es stellen sich im Krankenhausalltag immer wieder Fragen, die das Fachwissen eines Neurologen erfordern. Dabei geht es unter anderem darum, ob Medikamente  in einer bestimmten Kombination verabreicht werden dürfen oder nicht. Ein Beispiel hierfür wäre die Medikation eines Patienten, der an Parkinson erkrankt ist und einen Herzinfarkt erleidet. In einem solchen Fall bespricht sich der Kardiologe mit dem Neurologen. So ist sichergestellt, dass sich nicht Wirkstoffe untereinander aufheben oder Ähnliches passiert. Es sind die kurzen Wege, der direkte Austausch und das Miteinander, von denen der Patient, aber auch wir Ärzte profitieren.

Warum verfügt nicht jedes Krankenhaus über eine eigene Stroke Unit?

Dietrich: Von Seiten der Politik ist eine sogenannte Zentralversorgung gewünscht, und nur noch wenige große Krankenhäuser verfügen über eine eigene neurologische Klinik und die notwendige neuroradiologische Angiographieanlage. Wir haben daher Wege gesucht, die es möglich machen, auch in Stolberg die Patienten neurologisch auf hohem Niveau zu versorgen. Die enge Kooperation mit dem MZ in der Nachbarstadt ist die ideale Lösung für alle Beteiligten. Darum verstärken wir uns in diesem Bereich. (Interview: Conny-Stenzel-Zerner)
 
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